Auto-fanatisch oder Betriebs-besorgt: solidarisch?

 



( zur Vorgeschichte: der IG-Metall Betriebsrat Hück, nebenbei auch im Aufsichtsrat von Porsche, griff den grünen Ministerpäsidenten Mitte Mai 2011 an, weil er ihm zu autofeindlich auftrete. Die Zeitungen kamen auf Überschriften wie ‚Betriebsrat Hück belehrt den Ministerpräsidenten‘ siehe bild.de oder ftd.de

Ein Kernsatz von Hück war: „Wir sind kein Volk der Radfahrer, sondern eine stolze Autonation“
Daraufhin schrieb ein ver.di-Mitglied direkt an Herrn Hück: )

Hallo Kollege Hück,

( und ich meine wirklich ‚hallo, gehts noch?‘
nachdem ich im Wochenblatt gelesen habe, was du in/mit der Bildzeitung getextet hast )

Es ist mir persönlich ja egal, ob du dich einfach nur lächerlich machen willst mit dem, was du, offenbar sehr hirn-schonend, in Mikrofone sagst und in deine Tastatur tippst. Oder lässt du vom Sekretariat einer Automobilfirma tippen?

Jedenfalls sind es immer wieder die gleichen Textbausteinle, angesiedelt zwischen Unterstellungen und Beleidigungen, frei von jeglichen Argumenten. Und es langweilt.

Aber als Gewerkschafter kann ich nicht einfach so zuschauen wie Deinesgleichen alles in den Schmutz ziehen, was unsere Gewerkschaftsbewegung ausmacht.

Zum Beispiel Solidarität. Was glaubst du eigentlich, warum auf Stuttgarts Straßen überhaupt noch was geht? Weil hier immer dickere Autos gebaut werden? Oder weil hunderttausende von Kollegen eben NICHT mit dem Auto zur Arbeit fahren, sondern mit Bus und Bahnen, meist so überfüllt dass „STAND-Ort“ für sie ein echtes Gschmäckle hat.

OK, wir wissen alle, dass du dich bisher gar nicht gern um sowas wie Nahverkehr gekümmert hast. Aber jetzt, wo im Ländle zum allerersten Mal die Chance eines Mobilitäts-Konzepts besteht, das diesen Namen auch verdient, willst du da alles ignorieren, vielleicht sogar torpedieren? Oder willst du dran mitarbeiten, und zwar im Sinne zigtausender Kollegen, die auf funktionierenden Nahverkehr angewiesen sind um zur Arbeit zu kommen?

Willst du als Gewerkschafter, dass im Ländle-der-Tüftler immer nur noch schnellere/spritfressendere Autos entwickelt werden, genau die Sorte, deren Arbeitsplätze schon bei der nächsten Ölkrise ‚abgebaut‘ werden? Oder willst du die Chancen nutzen, über den Tellerrand des ‚Schneller Dicker-Größer‘ hinauszuschaun, wie Mobilität sich über die Jahrzehnte entwickelt, welche Technik und Arbeitsplätze dazu gehören, wie wir diese (auch) hier im Ländle schaffen können?

Wenn ich deine Textebausteinle lese, bleibt mir leider nur die erstere Inerpretation.

Deshalb meine Bitte:
Sag sowas dann wenigstens als Privatperson, und tu nicht so, als hätte es auch nur im entferntesten mit gewerkschaftlichen Prinzipien zu tun.

Kopfschüttelnde Grüße, Kurt Walz
[ver.di-Mitglied]



( die prompte Antwort von Uwe Hück: )

Lieber Kollege Walz,

über die IG Metall Stuttgart habe ich Deinen Brief erhalten. Ich habe versucht Dich persönlich zu erreichen, aber beide Telefonnummern sind leider falsch.

Ich sende Dir einen kopfschüttelnden Gruß von den zahlreichen IG Metall-Mitgliedern von Porsche. Wir haben den größten Zuwachs an IG Metall-Mitgliedern. Ich nehme an in Deinem Zuständigkeitsbereich ist das nicht der Fall?

Nach dem wir Deinen Brief gelesen haben, können wir nachvollziehen warum die Mitgliederzahlen bei Dir vermutlich nicht erreicht werden. Wir sind erschüttert mit welcher Arroganz Du geschrieben hast. Zu mehr lassen wir uns aber nicht hinreißen.

Wir Porsche IG-Metaller sind stolz auf unsere Gewerkschaft und lassen uns von einem Mitglied wie Dir, Kurt, nicht beirren.

Kopfschüttelnde Grüße von den IG Metall-Mitgliedern

Uwe Hück



( darauf ging ebenso prompt diese E-Mail von Kurt Walz an Uwe Hück: )

Lieber Kollege Hück,
vor allem mal vielen Dank für deine rasche Antwort. Und dass du sogar angerufen hast.

> beide Telefonnummern sind leider falsch
…meine Handy-Nummer war im Footer korrekt wiedergegeben, aber ich muss das Handy auf Besprechungen halt ausschalten, erst gegen Abend hab ichs eingeschaltet und es meldete mir den ‚entgangenen Anruf‘. Entschuldigung, das war ein blöder Tippfehler von mir, und ein ganz ungeschicktes Handy-Timing.

> … erschüttert mit welcher Arroganz Du geschrieben hast.
> Zu mehr lassen wir uns aber nicht hinreißen.

Gut so und abermals danke. Dann werde auch ich so sachlich wie nur irgend möglich sein und hoffe auf einen echten Gedankenaustausch. Ums womöglich noch emotions-freier hinzukriegen, möchte ich das Thema vorwiegend mit Worten und Erlebnissen meiner direkten Kollegen eingrenzen; sie wohnen im Stromberg, im oberen Fils-Tal, im Schönbuch; sie pendeln täglich nach Stuttgart. Alle drei versuchen seit 4-5 Jahren, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu kommen. Alle drei berichten, dass die Situation in Zug, S-Bahn, U-Bahn und Bus sich ständig verschlechtert hat, insbesondere ist ihr Zeitaufwand immer größer geworden.

Zudem wird die Fahrt immer strapaziöser. Beispielsweise ist die S1 zwar verlängert bis Kirchheim, aber es wird kein einziger Sitzplatz zusätzlich eingesetzt trotz der erheblich größeren Zahl von Fahrgästen: im Berufsverkehr nur zweigliedrige Züge, keine dreigliedrigen. Gelegentlich ist die aus Osten kommende S1 bereits ab Plochingen so überfüllt, dass die Leute um Esslingen herum (Altbach, Zell, …) nur zuschauen können, wie die Türen auf- und wieder zu gehen, um dann auf die nächste S-Bahn zu warten, auf überfüllten Bahnsteigen mit Dachkonstruktionen, die kaum den Regen abhalten, Frost und Schnee sowieso nicht. Und wenn dann der Einstieg gelingt: Sitzplatz gibts keinen, Zeitung lesen ist nicht. Aber die Fahrpreise werden mindestens einmal pro Jahr erhöht, für ständig sinkende Leistung.

Was sagst du als Gewerkschafter dazu?
(Es geht hier um Kollegen, die zur Arbeit fahren)

Und was sagt dein Ökologie-Verständnis dazu?
(immer mehr steigen jetzt wieder aufs Auto um)

Wenn die alte Regierung jedweden Verbesserungsvorschlag einfach ignoriert hat, und nun eine neue Regierung diese Probleme mal angehen will, sollten wir als Gewerkschafter uns daran beteiligen oder nicht?

Ich bin sehr gespannt auf deine Antwort,
und hoffe, dass mir kein einziges Wort herausgerutscht ist,
das arrogant klingen könnte.

Mit freundlichen Grüßen
Kurt Walz

(ver.di-Mitglied, kein ver-di-Funktionär)



( darauf schweigt Uwe Hück seit Ende Mai sehr beharrlich )

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