Arbeitsplätze durch Bahnhof ?

„meilenweit von einer ‚heilen Arbeitswelt’ entfernt“

Bemerkenswerte Äußerungen einer Verfechterin von Stuttgart 21:

„Wir sind nach wie vor meilenweit von einer ‚heilen Arbeitswelt‘ entfernt“, sagte Inge Hamm (von der IG BAU). Eine einzige Razzia auf der Baustelle am Südflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs habe 14 Verstößen aufgedeckt; dies zeige dass illegale Praktiken selbst vor „prominenten Baustellen“ nicht Halt machten.


(Beispielsweise hatten mehrere der (ausgebildeten!) Bauarbeiter einen Vertrag, der sie ausdrücklich NICHT als BAU-Arbeiter einstufte, und dementsprechend eine Bezahlung, die etwa ein Drittel (ca vier Euro) unter dem Mindestlohn blieb, der seit 2011 bei 12,95 Euro für die Fachwerker im westdeutschen Bauhauptgewerbe liegt)

Originaltext der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt siehe www.igbau.de
und zum Vergleich z.B. ein letztjähriger Artikel aus kaz-online.de, wo Inge Hamm zitiert wird weil 8 von 11 am Nordflügel kontrollierten Arbeitsverhältnisse nicht in Ordnung waren.

Wenn wir bedenken, dass Inge Hamm sich ansonsten extrem stramm in die Linie der Abriß-Fanatiker Drexler und Schmiedel (SPD) einreiht, so wird richtig klar, wie absolut verantwortungslos, geradezu Gesetzes-verhöhnend, Bahn und Politik bei Stuttgart 21 auftreten: selbst die grundlegendsten Arbeitsvorschriften und Arbeitsgesetze dürfen auf dieser Baustelle mißachtet werden. War anderes zu erwarten, bei einem ‚Projekt‘, das von vornherein gegen das Grundgesetz verstößt, Bürgerbeteiligung als Verspottung betreibt?

Auffallend, dass Leute wie Frau Hamm genau hier aufhören, zu argumentieren: Ob ein durch und durch faules Immo-Spekulations-Projekt durch Appelle der IG BAU jemals gewerkschaftlichen Forderungen genügen kann, oder ob gerade die IG BAU statt eines solch menschenverachtenden ‚Projekts‘ eine Modernisierung in überschaubaren Etappen fordern sollte, ohne die (in Stuttgart besonders dreiste) Großprojekte-Vetterleswirtschaft, stattdessen mit guten Chancen auf ‚gute Arbeit‘ für Fachkräfte.

 

 

(Sommer 2011, von Tübingerstr aus) Stuttgarts derzeit größte Innenstadt-Baustelle, jetzt „Gerber“ genannt, vor kurzem noch „Quartier S“, entlang der Paulinenbrücke. Auch dort werden Arbeitsplätze auf den entstehenden Flächen versprochen. Und genau die gleiche Sorte, mit denen S21 wirbt: Büro und Einzelhandel. Derzeit stehen in Stuttgart allein an Büros 420 000 Quadratmeter leer.
 
Ist S 21 oder K 21 ein „Job-Motor“?

Einige Tieferleger behaupten es, allerdings nur für Stuttgart 21. Meist stützen sie sich auf ein Gutachten, fertiggestellt im Jahr 2009, manchmal als BW21-Gutachten bezeichnet, mit vollem Namen „Volkswirtschaftliche Bewertung des Projekts Baden-Württemberg 21“. Es ist herunterladbar auf den Seiten der Tieferleger als PDF.

Gelegentlich wollen sie dort sogar herauslesen, S21 schaffe 24000 Arbeitsplätze, obwohl diese Zahl von den Verkündern selber schon recht bald deutlich nach unten korrigiert wurde, auf 17000, und von einigen Beteiligten auch auf 12000. Und das natürlich landesweit, und erst, wenn alle Hochgeschwindigkeitstrassen voll benutzbar sind, und alles Freigewordene bebaut etc.

Unter bahnprojekt-stuttgart-ulm.de/aktuelles_termine/aktuelles/20091103_1 hat Drexler, der damals, 2009, noch irrsinig stolz darauf war Projektsprecher zu sein, 7000 davon „bei den beauftragten Firmen“ gesehen, und mehr als zehntausend „durch die verbesserte Erreichbarkeit sowie als Folge der städtebaulichen Nutzungen“. Auch ein neuerer Projektsprecher schreibt im Prinzip das gleiche unter direktzu.de/stuttgart21/messages/30060, ebenso dieser S21-Flyer_Arbeitsplaetze-201101

Das IMU-Institut hat im Juli 2011 eine wissenschaftliche Analyse des BW21-Gutachtens vorgelegt, und kommt, jetzt mal vereinfacht ausgedrückt, beim Thema Bauzeit zu diesem Schluss:
die Baustellen bieten so viel Arbeit wie jede Baustelle halt bietet
(aber das sind keine Dauerarbeitsplätze)

Und die behaupteten Dauerarbeitsplätze, soweit Stuttgarter gemeint sind, werden vorwiegend dem „städtebaulichen Effekt“ zugeschrieben. Der findet halt statt, wenn soundsoviel Büro und Laden-Fläche wirklich genutzt werden, egal wo, und egal ob dort ein Tiefbahnhof gebaut wurde. Viel wichtiger ist die Frage: gibts überhaupt Bedarf für soviel Fläche. Das wurde aber nicht untersucht, im Gegenteil, es wurde einfach davon ausgegangen, dass die „öffentliche Verwaltung“ einige tausend Leute mehr beschäftigen könnte als heute.

Ausserdem hängt der größte Teil der angeblich freiwerdenden Fläche nicht mit dem Kopfbahnhofsabriss zusammen: der ehemalige Güterbahnhof wird eingerechnet. Ebenso der gesamte Abstell-Bahnhof. Der kann aber reduziert oder verschoben werden, egal ob ein Kopf- oder ein Tiefbahnhof in der Nähe ist.

Letztlich kommt bei den IMU-Berechnungen heraus, dass der Arbeitsplatzeffekt sowohl bei K21 als auch bei S21 so minimal ist, dass er als Argumentationshilfe einfach nicht taugt.

Übrigens haben das die BW-21-Gutachter selber bereits gesagt, wenn auch ein bisschen verklausuliert, dass nämlich die nachgezählten Beschäftigungseffekte eher unabhängig vom speziellen Projekt BW-21 sind. Siehe den Schluss (Folie 5) der grafischen Zusammenfassung des IMU-Instituts.

Nebenbei sticht eine verräterische Wortwahl des BW-21-Gutachtens ins Auge: Es könne sozusagen von Gravitationsneffekten gesprochen werden. Sie kennen Gravitation: Ein Körper wird angezogen, wodurch er sich verlagert, den Ort wechselt…

Dementsprechend heisst es im BW21-Gutachten öftermal, dass Arbeitsplätze nahe bei Neubautrassen sich ansiedeln. Wo sie herkommen, interessiert nicht so sehr.

Wir halten die IMU-Studie als PDF zum Download bereit, vielen Dank dem IMU-Institut, siehe auch
deren Seite zu Beschäftigungswirkungen

Presse-Echo z.B. Südwestpresse Ulm und Süddeutsche Zeitung und kontextwochenzeitung.de

 

Unser eigener damaliger Bericht über die Veranstaltung:

Die nächste S 21-Seifenblase platzt

Stresstest Arbeitsplätze

Vorstellung und Diskussion der Studie des IMU – Instituts zu den „Beschäftigungswirkungen von Stuttgart 21“

Dass „Stuttgart 21“ 24.000 Arbeitsplätze schaffen würde, ein Jobmotor für die Region sei, war von Anbeginn an eines der Schlüsselargumente für das Projekt. Auch Teile der Gewerkschaftsbewegung und der SPD zeigten sich von diesen spektakulären Beschäftigungswirkungen beeindruckt.

Das IMU-Institut ist den behaupteten Beschäftigungswirkungen nachgegangen und kommt in seinem Gutachten zu dem ernüchternden Ergebnis:

Stuttgart 21 ist kein Jobmotor. Mit der deutlich kostengünstigeren Alternative K21 können die gleichen bescheidenen Beschäftigungseffekte erzielt werden. Die Beschäftigungseffekte scheiden damit als Argument für S21 aus.

Die Gewerkschafter im Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 hatten aus diesem Grund Dr. Hermann Biehler (IMU München), Dr. Detlev Sträter (IMU München), Dr. Martin Schwarz-Kocher (Leiter des IMU-Instituts Stuttgart) eingeladen, das Gutachten in einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung vorzustellen.

Im Anschluss an die Präsentation wurde über Schlussfolgerungen insbesondere für die Gewerkschaften und die SPD diskutiert.

Auf dem Podium waren:
     Konrad Ott, IG Metall, Ludwigsburg
     Bernd Riexinger, ver.di Stuttgart
     Hermann Zoller, SPD-Mitglieder gegen Stuttgart 21
     Dr. Martin Schwarz-Kocher, IMU Institut
     Werner Sauerborn, Gewerksch. gg S 21 (Moderation)

IMU siehe www.imu-institut.de
und siehe Pressekonferenz zum „Stresstest Arbeitsplätze“

Presse zB Südwestpresse Ulm und kontextwochenzeitung.de

Wir halten die Studie als PDF zum Download bereit.

 

 

 


Hinterlasse einen Kommentar

Kommentarfunktion ist deaktiviert.