Brief an den DGB-Landesvorstand vom 6. August 2010

An den Vorstand des DGB Baden-Württemberg

z. Hd. Kollege Niko Landgraf

Willi-Bleicher-Str. 20, 70174 Stuttgart

Lieber Niko,

am 30. Januar diesen Jahres hat der DGB als Dachverband der Gewerkschaften in Baden-Württemberg in seiner Landesbezirkskonferenz mit großer Mehrheit beschlossen, dem Bündnis gegen Stuttgart 21 beizutreten und den Widerstand gegen dieses Projekt zu unterstützen. Zuvor und danach haben etliche weitere Gewerkschaften und gewerkschaftliche Gliederungen, wie der ver.di Landesbezirk, die Delegiertenversammlungen der IGM Stuttgart, Waiblingen, Ludwigsburg, Aalen/Schwäbisch-Gmünd ähnliche Beschlüsse gefasst.

Nun tritt die Auseinandersetzung um Stuttgart 21 in ihre entscheidende Phase. Der Widerstand gegen das Projekt ist in allen Bevölkerungskreisen gewachsen, auch weil immer mehr Widersprüche, Ungereimtheiten, Risiken und Schwächen von S 21 ans Licht kamen – und in nächster Zeit ans Licht kommen werden. Als einen von vielen Punkten sei nur auf die Neuberechnung der Kosten für die Neubaustrecke verwiesen – 860 Millionen Mehrkosten räumt die Bahn bisher offiziell ein – was zum Abbruch oder zur Umplanung der Neubaustrecke führen müsste und Stuttgart 21 vollends zur Absurdität machen würde.

In dieser Situation versuchen Bahn und Politik durch den überstürzten Teilabriss des Bonatzbaus Fakten zu schaffen.

Stuttgart 21 ist ein Spekulations- und Umverteilungsprojekt, für das gerade die ArbeitnehmerInnen zahlen werden – direkt z.B. durch schlechtere Verkehrsleistungen im Berufsverkehr (die Störungen im S-Bahnverkehr sind ein erster Vorgeschmack) oder indirekt und später durch eine hohe Verschuldung der öffentlichen Haushalte und Druck auf Sozialetats und Daseinsvorsorge.

Wir bitten Euch, endlich deutlich und unüberhörbar Position zu beziehen.

Dazu gehört unseres Erachtens:

– Der DGB fordert noch vor dem geplanten Beginn der Abrissarbeiten ein sofortiges Moratorium für S 21.

Der Abriss des Nordflügels und weitere Baumaßnahmen müssen gestoppt werden bis die Kostenberechnung der Neubaustrecke veröffentlicht ist und ihre Konsequenzen für S 21 ersichtlich sind, bis die lange vorenthaltene Studie des Züricher Verkehrsplanungsinstituts SMA, nach der der geplante Tiefbahnhof de facto eine schlechtere Verkehrsleistung bietet als der Kopfbahnhof, zugänglich gemacht ist und bis alle Teilabschnitte des Projekts baugenehmigt sind.

– Der DGB mobilisiert für die betriebliche Unterstützung der Proteste am Hauptbahnhof im Sinne des beiliegenden Aufrufs.

– Der DGB Landesvorsitzende bzw. die Vorsitzenden und örtlichen Bevollmächtigten vor allem der großen Einzelgewerkschaften stehen als RednerInnen auf Montagsdemos und anderen Veranstaltungen des Bündnisses gegen S 21 zur Verfügung.

– Der DGB tritt wie am 30. Januar beschlossen dem Bündnis gegen S 21 bei, leistet einen angemessenen finanziellen Beitrag und entsendet eine/n VertreterIn zu den Sitzungen des Bündnisses.

– Der DGB bzw. seine Einzelgewerkschaften erstellen Werbematerialien (Banner, Buttons mit entsprechenden Logos).

– Der DGB bzw. seine Einzelgewerkschaften leiten Informationen des Bündnisses insbesondere Aufrufe zu Veranstaltungen weiter in Betriebe und Verwaltungen.

Wir bitten Euch im Sinne unserer gemeinsamen Beschlüsse diese Maßnahmen umgehend zu ergreifen. Gerne unterstützen wir Euch im Konkreten.

Wir bitten Dich, lieber Koll. Landgraf, bzw. den DGB Bezirksvorstand um ein Gespräch, das angesichts der zugespitzten Situation sehr bald stattfinden sollte.

Mit freundlichen Grüßen

Paul Schobel, Martin Zahner, Sybille Stamm, Jürgen Stamm, Tom Adler, Werner Sauerborn, Johannes Müllerschön, Florian Vollert, Wolfgang Hänsch, Rainer Jäger, Helmut Brandt, Utz Rockenbauch, Peter Kurtenacker, Murgin Romolo, Wolfgang Isele, Christa Hourani, Albrecht Kotitschke, Christa Schnepf, Jürgen Hugger, Kurt Walz, Peter Hanle, Clarissa Seitz, Maggie Klingler-Lauer, Peter Schimke, Walter Kubach, Roland Hamm

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